
Experteninterview Dr. Sebastian Kieslich
Welche konservativen Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Rückenschmerzen? Dr. Sebastian Kieslich, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, gibt Einblicke in Physiotherapie, Infiltrationen, manuelle Techniken & Eigenbluttherapie.
Welche konservativen Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Patienten mit Rückenschmerzen?
Dr. Kieslich: Es gibt verschiedene konservative Behandlungsmöglichkeiten, die wir je nach Ursache und Schwere der Rückenschmerzen anwenden können. Dazu gehören Physio- und Trainingstherapie, bedarfsweise Schmerzmitteleinnahme, Infiltrationen und manuelle Techniken, wie Triggerpunktbehandlungen, Faszientherapien und Chirotherapie. Erfolgsversprechend sind auch regenerative Therapien wie Eigenbluttherapien oder autologe Stammzelltherapie.
Lassen Sie uns zuerst die Physiotherapie besprechen. Wie hilft sie bei der Behandlung von Rückenschmerzen?
Physio- und Trainingstherapie oder Osteopathie sind sehr wichtige Maßnahmen zur Behandlung von Rückenschmerzen. Sie helfen dabei, die Muskulatur zu stärken, die Beweglichkeit zu verbessern und Schmerzen nachhaltig zu lindern und zukünftige Erkrankungen der Wirbelsäule vorzubeugen. Durch gezielte Übungen und Dehnungen gehen wir die Ursachen der Schmerzen an und unterstützen die Patienten, ihre Lebensqualität zu verbessern. Alle anderen durchgeführten Maßnahmen werden üblicherweise ebenfalls durch Physiotherapie ergänzt. Wir arbeiten eng mit den Therapeuten in unserer Umgebung zusammen, sodass wir auch kurzfristig auf Änderungen im Heilungsverlauf reagieren können und eine Rücksprache stets möglich ist.

Wie funktionieren Infiltrationen – wann sind sie angebracht?
Infiltrationen sind eine weitere wichtige Behandlungsmethode, insbesondere bei starken Schmerzen, die auf die nicht-invasive Therapie nicht ansprechen. Unter Röntgen- oder Ultraschallkontrolle werden entzündungshemmende und schmerzstillende Medikamente direkt in den betroffenen Bereich injiziert. So erreichen wir die Schmerzquelle und bekämpfen diese direkt vor Ort.
Können Sie uns ein Beispiel geben, wie diese Behandlungen in der Praxis angewendet werden?
Am Anfang jeder Therapie steht selbstverständlich eine gründliche Anamnese und eine ausführliche Untersuchung. Oft ist hierdurch schon die Ursache des Problems gefunden. Bildgebende Diagnostik, wie MRT oder Röntgen, erfolgt zur Diagnosesicherung. Nehmen wir nun an, ein Patient hat aufgrund einer Nervenwurzelentzündung, z.B. durch einen Bandscheibenvorfall, oder durch Gelenkreizungen, z.B. der Facettengelenke oder des Iliosakralgelenks, starke Rückenschmerzen.
Am Start kann die Physiotherapie stehen, um kompensatorische Muskelspasmen zu lösen und die Beweglichkeit zu verbessern. Oft sind auch physikalische Anwendungen wie Fango oder eine Ultraschalltherapie hilfreich und schmerzlindernd. Ergänzend erfolgt hierbei eine orale Schmerzmitteleinnahme, die oft bereits von den Patienten selbst initiiert wurde. Sollten die Schmerzen weiterhin bestehen, oder der Leidensdruck sehr hoch sein, führen wir röntgen- oder ultraschallgesteuerte Injektionen durch, um die entzündeten Nerven oder Gelenke direkt zu behandeln. Diese Kombination aus Physiotherapie und Injektionen hat sich in vielen Fällen als sehr effektiv erwiesen. Eine Trainingstherapie ergänzt die Behandlung, sobald sich die Entzündung zurückgebildet hat und führt zu einer nachhaltigen Besserung, aber auch zur präventiven Verhinderung neuer Beschwerden.
Wann kommen eher manuelle Techniken zum Einsatz?
Dr. Kieslich: Nicht immer sind entzündliche Veränderungen Ursache von Rückenbeschwerden. Gerade sportlich aktive Menschen leiden häufig unter Fehlstatik und akuten Blockierungen der Facettengelenke. Eine Blockierung kann zu Muskelspasmen im betroffenen Bereich führen. In der sorgfältigen Untersuchung oder im Ultraschall lässt sich dies sehr gut unterscheiden. Bei rein muskulären Beschwerden sind manuelle Techniken die Therapie der Wahl. Eine Blockierung wird durch bestimme Handgriffe im Rahmen einer Chirotherapie gelöst und die verspannte Muskulatur kann durch Triggerpunktbehandlung oder durch Kinesiotaping gelockert werden.
Was ist die Eigenbluttherapie (PRP) und wann kommt diese zum Einsatz?
Die Eigenbluttherapie, also die Therapie mit plättchenreichem Plasma, kommt bei chronischen Veränderungen der Wirbelsäule zum Einsatz. Hier treffen sich Schmerztherapie und Prophylaxe. Je früher eine chronische Veränderung, z.B. der Facettengelenke oder der Bandscheiben, diagnostiziert wird, desto nachhaltiger kann sie behandelt und zur Ausheilung gebracht werden. Bei der akuten Schmerztherapie müssen wir in Ausnahmefällen auf den Einsatz von Steroiden zurückgegriffen. Diese wirken zwar sehr gut entzündungshemmend, hemmen aber die körpereigenen Heilungsmechanismen und können zusätzlich die Kollagenfasern, die Bestandteil von Knorpel und Bandscheiben sind, schädigen.
Bei der Eigenbluttherapie machen wir uns die Prozesse zu Nutze, die im Körper natürlicherweise bei der Wundheilung ablaufen. Wir entnehmen dem Patienten mit 12ml eine kleine Menge Blut und bereiten dies über eine Zentrifuge auf. Dabei werden die an der Heilung beteiligten Zellen des Blutes, dies sind vor allem die Blutplättchen, und das Plasma extrahiert. Diese produzieren Zytokine und Wachstumsfaktoren, die nicht nur entzündungshemmend und schmerzlindernd, sondern vor allem regenerativ wirken und dem Patienten im Anschluss wieder an die veränderten Strukturen injiziert werden. Dadurch können akute Schmerzen gelindert und einer weiteren strukturellen Verschlechterung vorgebeugt werden.
Gibt es noch andere konservative Behandlungsmöglichkeiten, die Sie anwenden?
Ja, eine bedarfsweise Schmerzmitteleinnahme, das Vermeiden auslösender Aktivitäten und alternative Therapien wie Akupunktur sind in bestimmten Fällen ebenfalls hilfreich. Es ist wichtig, dass Patienten wissen, dass es viele Möglichkeiten gibt, um ihre Rückenschmerzen ohne Operation zu behandeln. Jeder Patient muss individuell betrachtet werden. Dementsprechend muss auch die Behandlung individuell angepasst sein.
Welche Empfehlungen geben Sie Ihren Patienten, die mit Rückenschmerzen zu kämpfen haben. über die medizinische Therapie hinaus?
Dr. Kieslich: Bewegung ist das A und O. Auch bei akuten Beschwerden ist eine moderate Bewegung immer förderlich. Rückenschule und Trainingstherapie sind die besten Möglichkeiten auch latente Beschwerden in den Griff zu kommen oder das Auftreten von Beschwerden zu verhindern. Hierzu gibt es zwischenzeitlich viele Zentren unter Leitung von Sportwissenschaftlern mit speziellen Rückenprogrammen. Je enger hierbei die Zusammenarbeit zwischen Sportwissenschaftlern und Ärzten erfolgt, desto effizienter kann ein Plan erstellt werden und desto nachhaltiger ist das Training.

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